Eine wesentliche Aufgabe für dich als Product Owner ist die Kommunikation mit und das Einbeziehen deiner Stakeholder. Stakeholder können den Erfolg deines Produktes fördern oder behindern.

Was ein Stakeholder ist, haben wir im Kapitel Kunden beschrieben.

image-left Stakeholder Management meint nicht die Zufriedenstellung deiner Stakeholder. Stattdessen solltest du als Product Owner proaktiv dafür sorgen, deine Stakeholder so einzubinden, dass dein Product seinen angestrebten Nutzen erfüllen kann.

Um angemessen mit deinen Stakeholdern zu interagieren, empfiehlt sich eingangs eine Stakeholderanalyse. Es gibt verschiedene Mapping Tools, die für die Analyse deiner Stakeholder nützlich sind. Wir fokussieren uns hier auf das Stakeholder Onion Diagram und das Power-Interest-Grid (zu deutsch: Stakeholder-Einfluss-Matrix). Diese beiden Tools bauen aufeinander auf.

Ziel

Die Kombination der beiden Tools hat zum Ziel, dass du

  • eine Übersicht deiner Stakeholder gewinnst
  • weißt, wie du mit welchen Stakeholdern umgehen solltest

Dies erlaubt dir zu planen, wie du mit welchen Stakeholdern interagierst. Du kannst Maßnahmen zur Kommunikation, Abstimmung und zum Lenken von Erwartungen ableiten.

Dabei dient das Stakeholder Onion Diagram der ersten Übersicht und das Power-Interest-Grid der Kategorisierung der Stakeholder in Gruppen, mit denen du jeweils verschieden umgehen solltest.

Geschichte

Das Stakeholder Onion Diagram zur Stakeholderanalyse wurde 2002 von Ian Alexander entwickelt. In einem Paper beschreibt er, dass Zwiebelmodelle seit Jahrhunderten genutzt werden, um Einflussphären darzustellen.

Das Power-Interest-Grid geht zurück auf Aubrey Mendelow (1991). Es wurde 1998 von Colin Eden und Fran Ackermann adaptiert. Roman Pichler hat diese Version aufgegriffen und fokussiert auf diejenigen Stakeholder, deren Hilfe man benötigt, um das Produkt erfolgreich zu entwickeln und am Markt anzubieten.

Funktionsweise

Identifikation von Stakeholdern mit dem Stakeholder Onion Diagram

Das Stakeholder Onion Diagram ist, wie der Name schon sagt, zwiebelartig aufgebaut.

Das Stakeholder Onion Diagram von Ian Alexander
Das Stakeholder Onion Diagram von Ian Alexander

Im Kern der Zwiebel befindet sich das Produkt bzw. der Service. Der zweite Kreis bildet das “System” ab, in dem sich das Produkt befindet. Hier sind die Stakeholder angesiedelt, die direkt mit dem Produkt interagieren. Der dritte Kreis beschreibt das “beinhaltende System” (“containing system). In diesem System finden sich die Stakeholder, die keine direkten Akteure in Bezug auf das Produkt sind. Schließlich steht der vierte Kreis für das “weitere Umfeld” (“wider environment”). Gesetzgeber finden sich beispielsweise hier wieder.

Damit du niemandem beim ersten Mapping vergisst, können dir folgende Fragen helfen:

  • Wen brauche ich für die Entwicklung, Vermarktung und Bereitstellung von meinem Produkt?
  • Wer unterstützt mich innerhalb/außerhalb meiner Organisation?
  • Wer blockiert mich innerhalb/außerhalb meiner Organisation?
  • Auf wen bin ich angewiesen, damit mein Produkt erfolgreich wird?
  • Wer hat ein innerhalb/außerhalb meiner Organisation Interesse daran, dass mein Produkt scheitert?
  • Wer wird von meinem Produkt positiv oder negativ betroffen sein?
  • Wer glaubt, dass er/sie von meinem Produkt betroffen sein könnte (auch wenn das eigentlich gar nicht stimmt)?

image-left Berücksichtige bei der Identifikation deiner Stakeholder die gesamte Wertschöpfungskette deines Produktes.

Der Anspruch bei diesem Mapping sollte nicht sein, die Stakeholder in die exakte Schicht der Zwiebel einzusortieren. Das Tool dient vielmehr der Identifikation von Stakeholder.

Analyse von Stakeholdern mit dem Power-Interest-Grid

Sobald du deine Stakeholder identifiziert hast, gilt es, sie genauer zu betrachten.

Bei der Analyse deiner Stakeholder und der Entwicklung einer Interaktions- und Kommunikationsstrategie hilft dir das Power-Interest-Grid.

Das Power-Interest-Grid von Eden und Ackermann
Das Power-Interest-Grid von Eden und Ackermann

Die Matrix ist entlang der zwei Achsen “Interesse” und “Einfluss” aufgebaut und besteht aus vier Feldern. Jedes Feld mappt eine Stakeholdergruppe mit einer richtungsgebenden Empfehlung hinsichtlich ihrer Einbindung.

Players

Dies sind Stakeholder, die sowohl ein großes Interesse an deinem Produkt als auch über großen Einfluss verfügen. Sie heißen “Player”.

Subjects

“Subjects” sind Stakeholder mit hohem Interesse an deinem Produkt, aber geringem Einfluss. Sie können zu großartige Verbündete werden, wenn du es schaffst, sie richtig einzubinden.

Context Setters

“Context Setters” sind Stakeholder mit geringem Interesse an deinem Produkt, aber einem großen Einfluss.

Crowd

Diese Stakeholder haben weder ein großes Interesse an deinem Produkt, noch verfügen sie über großen Einfluss.

Eine ausführlichere Beschreibung der Stakeholdergruppen sowie Vorschläge zur Einbindung und Kommunikation findest du hier bei Roman Pichler. Zu beachten ist, dass Roman Pichler das Power-Interest-Grid ausschließlich für das Mapping interner Stakeholder, also Stakeholder innerhalb deiner Organisation, bezieht.

Wie du im Bild oben siehst gibt das Power-Interest-Grid je nach Stakeholderquadrant einen Hinweis darauf, wie du dich ihnen gegenüber grundsätzlich verhalten solltest.

Hierauf aufbauend kannst du eine Strategie und konkrete Maßnahmen zur Interaktion und Kommunikation formulieren. Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen solltest du regelmäßig prüfen, ob sie auch für deine Stakeholder funktionieren. Wenn das nicht der Fall ist, passie sie an.

Beachte außerdem, dass jedes Mapping von Stakeholdern eine Momentaufnahme ist. Du solltest regelmäßig überlegen, ob es neue Stakeholder gibt und diese entsprechend einbinden. Auch bestehende Maßnahmen solltest du auf ihre Wirksamkeit hin prüfen und bei Bedarf anpassen.

Einsatz

Als Product Owner gehört die Analyse von und Arbeit mit Stakeholdern zu deinen wichtigsten Aufgaben. Du bist der zentrale Ansprechpartner für dein Produkt.

Wir empfehlen dir, so früh wie möglich mit dem Mapping und der Analyse deiner Stakeholder anzufangen. Bereits vor dem offiziellen Start deines Projektes helfen dir die Tools, diese wichtigen Fragen zu adressieren:

  • Wen sollte ich zum Kick-Off einladen?
  • Welche Beziehungen bestehen unter den Eingeladenen?
  • Wer könnte sich durch mein Produkt bedroht/angegriffen fühlen?
  • Ohne wessen Unterstützung wird mein Produkt scheitern?

Auch nach dem Beginn der Produktentwicklung ist es nicht zu spät, das Stakeholder Onion Diagram und das Power-Interest-Grid anzuwenden.

Nutze die Tools, um eine neue Perspektive auf das Projektgeschehen zu gewinnen!

Mache einen Workshop zur Erstellung des Stakeholder Onion Diagrams mit Vertretern deines Teams, dem Sponsor des Produktvorhabens oder auch Vertretern anderer Teams oder Abteilungen. Es ist nützlich, viele verschiedene Perspektiven dabei zu haben, um nichts zu übersehen.

Beim Einsatz des Power-Interest-Grids gibt es viele Quellen für Beurteilungsfehler, wie:

  • unsere eigenen, oft unbewussten Vorurteile
  • von sich selbst auf andere schließen
  • das fehlinterpretieren von Aussagen und Handlungen Anderer
  • Hierarchie-Effekte
  • Rollenperspektiven
  • der HALO-Effekt
  • Sympathie und Antipathie
  • vorhande persönliche Tendenzen, z.B. zur Milde, Mitte oder Härte
  • und viele mehr…

Wir empfehlen deshalb, das Power-Interest-Grid mit ausgewählten Vertrauten zu erstellen. Deine Beurteilung von Gruppen oder Individuen könnte dem ein oder anderen durchaus nicht gefallen und so zu Missverständnissen und Verärgerung führen. Abgesehen vom konkreten Maßnahmenplan am Ende der Analyse sollten Ergebnisse, in denen womöglich persönliche Einschätzungen zu einzelnen Gruppen oder Personen enthalten sind, vertraulich behandelt oder direkt vernichtet werden.

Beachte: Während sich Methoden und Tools erlernen und anwenden lassen, ist der Umgang mit Menschen nie einfach. Erforderlich sind neben fachlicher Expertise und Know-How auch rhetorisches Geschick, Empathie und Erfahrung.

image-left Nur weil du Stakeholdern und ihre Erwartungen identifiziert hast, bedeutet dies nicht, dass du die Erwartungen erfüllen musst. Entscheide stets überlegt, welche Erwartungen übernommen und akzeptiert und welche Erwartungen nicht angenommen werden und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Tools

Sowohl das Stakeholder Onion Diagram als auch das Power-Interest-Grid lassen sich schnell auf einem Flipchart oder einer Metaplanwand zeichnen und anschließend befüllen.

Auch digital geht das Erstellen aufgrund der einfachen Struktur der Tools schnell von der Hand.

Fragen

  • Wie wichtig ist dir dein Bauchgefühl bei der Beurteilung von Stakeholdern?
  • Welche Informationsquellen helfen dir beim Einschätzen von Stakeholdern?
  • Gibt es eine Stakeholdergruppe, deren Einbindung dir schwer fällt? Wenn ja, welche und warum?

Diskussionen

Hier geht es zum Diskussionsforum zu Handbuchkapiteln auf dem oncampus.