Als Product Owner dreht sich für dich alles um den Kunden. Die Frage, wer oder was deine Kunden sind, ist aber oft gar nicht so leicht zu beantworten.

Je nach Kontext, kann der Begriff Kunde verschiedene Bedeutungen haben. Viele der Methoden und Werkzeuge, die wir im Advanced Product Owner Handbuch vorstellen, verwenden den Begriff ebenfalls nicht einheitlich.

Um den Dschungel der Definitionen etwas zu lichten, wollen wir hier kurz beschreiben, wie wir im Advanced Product Owner Handbuch damit umgehen.

Der Kunde im Agilen Manifest

Im Agilen Manifest wird an drei Stellen ein Kunde erwähnt. Einmal bei den vier Wertepaaren und zweimal in den zwölf Prinzipien.

Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung

Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software zufrieden zu stellen.

Heisse Anforderungsänderungen selbst spät in der Entwicklung willkommen. Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden.

Mit dem Kunden kannst du also zusammenarbeiten oder Verträge verhandeln. Als Product Owner möchtest du ihn unbedingt zufrieden stellen. Der Kunde steht seinerseits in einem Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern.

Kunde und Stakeholder

Stakeholder sind alle die Personen oder Institutionen, die entweder am Verlauf oder Ergebnis eines Vorhabens interessiert sind oder dieses Vorhaben beeinflussen können. Das Vorhaben kann ein Projekt, ein Prozess oder die Entwicklung deines Produkts sein.

Deine Stakeholder sind mit hoher Wahrscheinlichkeit keine homogene Gruppe, sondern haben viele verschiedene Perspektiven.

Ob sich dein Produkt gut verkauft, darf dem Betriebsrat formal egal sein. Ob du und dein Team sich an die Betriebsvereinbarungen und Arbeitszeitregeln halten, ist dem Stakeholder Betriebsrat aber wichtig.

In regulierten Bereichen wie der Medizintechnik oder der Luftfahrt hast du mit Stakeholdern zu tun, die sich ausschließlich dafür interessieren, dass dein Produkt über gewisse Eigenschaften verfügt. Sie können deinem Produkt unter Umständen eine Marktzulassung verweigern, wenn es diese Eigenschaften nicht hat. Das eigentliche Produkt ist ihnen völlig egal, so lange du ihre Interessen berücksichtigst und das nachweisen kannst.

Kunden haben manchmal auch Interesse am Verlauf des Projektes oder der Produktentwicklung, besonders dann, wenn das gemeinsame Vorhaben von einiger Unsicherheit geprägt ist. Das primäre Interesse eines Kunden bezieht sich aber auf das Ergebnis, also das Produkt oder den Service.

image-left Nicht alle Stakeholder sind Kunden, aber alle deine Kunden sind Stakeholder. Um mit deinem Produkt erfolgreich zu sein, reicht es nicht, nur deine Kunden zu kennen - du musst auch wissen, wer deine Stakeholder sind.

image-left Stakeholder haben Interesse an der Entstehung deines Produktes oder am Produkt selbst. Sie können dich dabei unterstützen oder behindern, dein Produkt oder deinen Service erfolgreich zu machen.

Kunde und Fachexperte

Eine weitere Gruppe, die auch im agilen Manifest genannt wird, sind die Fachexperten. Machmal werden sie auch als Domänenexperten, Business Experts oder Subject Matter Experts bezeichnet.

Diese Personen haben ein tiefes Wissen über die fachlichen Anforderungen an dein Produkt oder deinen Service. Einige der Fachexperten werden später vielleicht mit deinem Produkt arbeiten, andere unterstützen dich nur während der Entwicklung. In jedem Fall sind sie wertvolle Quellen für Anforderungen und Feedback, die du schätzen wirst.

Manche deiner Kunden sind gleichzeitig Fachexperten, erwarten solltest du das aber nicht. Häufig sind die Fachexperten eine kleine Gruppe von Personen, die Interesse an deinem Produkt haben, wenn es um Aspekte wie funktionale Korrektheit, Anwendbarkeit im Arbeitsalltag und die Menge der Funktionalitäten geht. Wirtschaftlichkeit darf den Fachexperten egal sein, dafür hat dein Kunde dich.

image-left Fachexperten sind deine Unterstützer, wenn es um Business Analyse, Requirements Engineering und Akzeptanztests geht. Sie geben dir Informationen zu Anforderungen und wertvolles Feedback.

Kunden und Benutzer

Die dritte Gruppe, die leicht mit Kunden zu verwechseln ist, ist die der Benutzer. Benutzer sind Personen, die mit deinem Produkt oder Service aktiv arbeiten, um damit einen Nutzen zu erzeugen. Dieser Nutzen kann persönlicher Natur sein oder auch ein Nutzen für die Organisation, die dem Benutzer die Aufgabe gegeben hat, mit deinem Produkt oder Service zu arbeiten.

image-left Benutzer wird häufig mit Anwender synonym verwendet. Beide Begriffe haben aber insbesondere in der Softwareentwicklung eine unterschiedliche Bedeutung. Benutzer sind immer Menschen, Anwender können auch ganze Organisationen sein. Die Perspektive von Anwendern wird üblicherweise von Kunden und Fachexperten vertreten.

Benutzer erwarten, dass dein Produkt oder Service leicht zu verstehen ist und die Benutzung zuverlässig und stabil möglich ist. Mit den Benutzern steht und fällt der Erfolg deines Produktes. Sind sie unzufrieden oder nicht in der Lage, damit zu arbeiten, musst du als Product Owner deine Hausaufgaben machen.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wirst du für dein Produkt unterschiedliche Gruppen von Benutzern kennenlernen. Solche Gruppen können sich unterscheiden hinsichtlich der Häufigkeit und Intensität der Benutzung (Power User), des Nutzungswissens über dein Produkt (Key User) oder auch den Interessen an einzelnen Funktionen, die dein Produkt bereitstellt.

In den Disziplinen des Usability Engineerings und der User Experience haben sich in den letzten Jahren viele Werkzeuge und Methoden etabliert, die bei der Interaktion mit Benutzern helfen. Einige davon lernst du in diesem Handbuch kennen. Für andere benötigst du Unterstützung durch UX Engineers.

Manchmal sind deine Kunden gleichzeitig deine Benutzer.

image-left Benutzer sind alle, die aktiv mit deinem Produkt oder Service arbeiten, um einen Nutzen zu erzeugen. Sie sind es, die im Usability Engineering, im User Experience Design und in Usability-Tests im Mittelpunkt stehen.

Und was ist nun ein Kunde?

In jedem Fall ist ein Kunde jemand, der eine Kosten/Nutzen-Abwägung bezüglich deines Produktes oder Services trifft. Kunden sind es, mit denen du Verträge schließt und deren wirtschaftliches Interesse du im Auge behalten musst. Auch wenn die Benutzer dein Produkt noch so gut finden, auch wenn du mit den besten Fachexperten gearbeitet hast: der Erfolg deines Produktes wird dadurch entschieden, dass Kunden bereit sind, dafür zu bezahlen.

Wie verwenden wir den Begriff “Kunde” im Handbuch?

Wir haben uns entschieden, im Advanced Product Owner Handbuch keine eigene Definition des Begriffs Kunde zu schaffen. Wir wollen uns auch nicht auf eine einzige festlegen, weil am Ende der Kontext deines Produkts entscheidend ist.

Wir versuchen bei der Verwendung aller in diesem Kapitel erwähnten Begriffe größtmögliche Konsistenz zu bewahren. Allerdings verwenden viele der Werkzeuge und Methoden, die wir vorstellen, den Begriff Kunde relativ unscharf. Wann immer wir der Ansicht sind, dass eigentlich eine andere Gruppe (Stakeholder, Fachexperten oder Benutzer) gemeint ist, weisen wir darauf hin. Wir halten uns aber bei den Beschreibungen der Werkzeuge und Methoden an die etablierten Begriffe im jeweiligen Kontext.

Diskussionen

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